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Die wohl wichtigste und vor allem beständigste italienische Kulturzeitschrift
des 19. und 20. Jahrhunderts wurde 1866 in Florenz von Francesco Protonotari in
Anlehnung an die berühmte Antologia des Schweizers Giampietro Vieussieux
(erschienen 1821-1833 in Florenz) ‚neu‘ begründet. Die „impresa non meno civile
che letteraria“ [ebenso gesellschaftliche wie literarische Unternehmung] der
(alten) Antologia, so Protonotari im Vorwort des ersten Hefts von 1866, sei der
Bezugspunkt einer „Nuova Antologia. Rivista di scienze, lettere ed arti“, die
vor dem veränderten politischen Hintergrund der „Italia risorta“ [des
wiedererstandenen, also vereinten Italien] ein zugleich traditionsbezogenes wie
auch aktuelles, nationales Profil entwickeln müsse.
Die Nuova Antologia, die 1878 nach Rom umsiedelte und von diesem Zeitpunkt an
vierzehntäglich (statt zuvor monatlich) erschien, muss bis heute im von
Protonotari verfolgten Sinne als Erfolgsunternehmen gelten, denn sie erscheint –
seit 1978 wieder in Florenz – noch immer, inzwischen allerdings in vier Heften
jährlich. Seit 1980 wird sie von der von Giovanni Spadolini (Direktor der Nuova
Antologia von 1972-1980) begründeten Fondazione Spadolini Nuova Antologia
herausgegeben.
Der für das Akademievorhaben und die Datenbank zentrale Zeitraum beginnt 1897
mit dem Kauf der Zeitschrift durch den Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und
Politiker, Abgeordneten und späteren Senator Maggiorino Ferraris, der (bis 1926)
gleichzeitig als Besitzer und Direktor der Nuova Antologia fungierte. 1901 (bis
1917) kam als zentrale Figur Giovanni Cena in der Position des Chefredakteurs
hinzu. Die Nuova Antologia umfasste inzwischen ca. 200 Seiten pro Heft. Die
kurze Stellungnahme Ferraris‘ anlässlich der Übernahme der Zeitschrift im Juli
1897 („Agli scrittori ed ai lettori della Nuova Antologia“ [An die Beiträger und
die Leser der Nuova Antologia]) ist für das Profil der – ansonsten an
Selbstcharakterisierungen armen – Kulturzeitschrift in dreifacher Weise
aufschlussreich. a) Die Nuova Antologia wird als liberale Zeitschrift
charakterisiert, die weder Parteien noch literarische Schulen vertrete („libera
da ogni influenza di scuole e di partiti, letterarî o politici“ [frei von jedem
Einfluss von Schulen oder Parteien, seien sie literarische oder politische]). b)
Leser und Beiträger werden, wie die als Anrede formulierte Überschrift zeigt,
gleichermaßen als wichtig für das Gelingen der Zeitschrift angesehen. c) Es
handelt sich um ein Elitemedium, das die „forti ingegni e le migliori speranze
del paese“ [die stärksten und hoffnungsvollsten Talente des Landes] verpflichten
will und dennoch eine nationale Reichweite anstrebt, indem es „den nationalen
Gedanken spiegelt“ („riflettere il pensiero nazionale“).
Ferraris betont die Wichtigkeit von Lettere und Arti, die von traditioneller
Bedeutung für Italien seien, akzentuiert aber auch den ökonomischen und
technischen Fortschritt durch die Wissenschaften (die auch im Untertitel
gleichberechtigt auftreten). Diese Trias verhandeln auch die für den
Berichtszeitraum ausgewerteten Hefte: Sie enthalten literarische Beiträge
(Erstabdrucke von Erzählungen, Gedichten, Dramen und längeren Erzähltexten,
vornehmlich italienischer, aber auch einiger ausländischer Autoren; etwa von
Sienkiewicz und Tschechow); Abhandlungen über aktuelle politische und
gesellschaftliche Entwicklungen und Problemstellungen; Abhandlungen über
Fortschritte in Wissenschaft und Technik sowie Programme zur Reform z.B. des
italienischen Agrar- und Eisenbahnwesens; Berichte über die Kunst und Kultur
Italiens, aber auch des Auslands (kondensiert z.B. in Cenas regelmäßiger
Berichterstattung über die Pariser Weltausstellung); sowie immer wieder
unterschiedlich gewichtete Rubriken mit aktuellen Meldungen aus Kultur und
Politik des In- und Auslands und kommentierten literarischen und
wissenschaftlichen Neuerscheinungen (z.B. Note e commenti, Tra libri e riviste;
Libri e recenti pubblicazioni).
(Susanne Friede)
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