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Der (als Kulturzeitschrift bis 1965, als Verlag bis heute bestehende) Mercure de
France galt von Anfang an (1890) als die Zeitschrift der ‚Jungen‘.
Der Herausgeber Alfred Vallette (1858-1935), vorher Mitarbeiter an kurzlebigen
literarischen Zeitschriften und auch selbst literarisch aktiv, will, wie er im
Editorial des ersten Heftes sagt, den „jeunes écrivains“ ein
Publikationsorgan schaffen, deren „œuvres purement
artistiques“ und „conceptions hétérodoxes“ in anderen, weil
nur auf kommerziellen Erfolg ausgerichteten Blättern auf Ablehnung stoßen. Der
alte Name Mercure de France, offensichtlich rechtlich frei, wird wegen seines
reizvollen ‚archaischen‘ Klangs gewählt, nicht, um inhaltlich an ihn
anzuknüpfen, denn der neue Mercure soll eine rein literarische Zeitschrift für
originelle Arbeiten in gepflegter Sprache sein. Diese allerdings könnten
„en morale“ durchaus neue Wahrheiten enthalten, womit dann doch der
engere Bereich des literarischen Kunstwerks von vornherein geöffnet wird. Die
ideologische Öffnung zeigt sich schon ein Jahr später in dem provokativen
Beitrag „Le Joujou ›patriotisme‹“ (April 1891) des
wohl interessantesten und begabtesten Mitarbeiters Remy de Gourmont (1858-1915),
bestätigt sich kurz darauf in den Umfragen von 1895 und 1897, die beide die
kulturellen und politischen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland zum
Thema machen, und gilt dann für alle folgenden Jahre. In der Zeitspanne
1899-1901 präsentiert sich (und dies seit Ende 1897) der Mercure, neben dem seit
1894, dem ersten Jahr seiner finanziellen Selbständigkeit, auch ein Verlag
gleichen Namens besteht, als Monatsschrift von mindestens achtzehn Bogen (der
Jahrgang mit seinen knapp 3500 Seiten, die in gebundener Form als vier Bände
erscheinen, erreicht mithin gut die Hälfte des Umfangs der Revue des deux
mondes), die zu ungefähr gleichem Anteil dem Abdruck von Texten (Gedichte,
literarische Prosa, Übersetzungen und Aufsätze) und dem der Berichte (Revue du
mois) gewidmet sind (Auflagenhöhe 1890: 600 Exemplare, 1900: ca. 2500
Exemplare). Der beachtlich umfangreiche Berichtsteil, stets eingeleitet durch
die lebhaften Epilogues von Remy de Gourmont, umfasst nicht nur Kritiken und
bibliographische Angaben über französische literarische Neuerscheinungen und
Kurzberichte über französische Zeitschriften, Zeitungen, Aufführungen und
Ausstellungen, sondern auch Kritiken und bibliographische Angaben über
Neuerscheinungen aus allen Gebieten der Wissenschaft. Besonders hervorzuheben
sind die regelmäßigen Berichte über literarische Neuerscheinungen und
Zeitschriften aus dem Ausland, die den Mercure de France zur damals wichtigsten,
in dieser Beziehung auch die Revue des deux mondes überflügelnden französischen
Informationszeitschrift über die Literatur des Auslands machen.
(Ulrich Mölk)
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